"Keine atheistische Depression"
Am 27.10.25 feierten über hundert Benediktinerinnen und Benediktiner das Jubiläum „400 Jahre Österreichische Benediktinerkongregation“. Gastgeber war das Stift Melk.
Im Kolomani-Saal trat eine Musikgruppe des Benediktinergymnasiums Melk mit selbstkomponierten Liedern auf, nachdem Abtpräses Johannes Perkmann OSB die Gäste aus Österreich und dem umliegenden Ausland begrüßt hatte. Abtprimas Jeremias Schröder OSB war eigens aus Rom angereist. Er lobte die Benediktiner in Österreich für ihre Kunst zu feiern und ihre Beständigkeit über die Jahrhunderte gerade in herausfordenden Zeiten.
Die klösterliche Jugend, vertreten durch die Studenten aus dem Kolleg St. Benedikt in Salzburg, brachte sich mit einer Umfrage ein. Spontan wurden zu verschiedenen Themen Vertreter der österreichischen Klöster befragt: Wird die Meinung der jungen Mönche in den Gemeinschaften gehört? Können sie Verantwortung übernehmen? Wie gehen Klöster mit Missbrauchsvorwürfen um? Die jugendlichen Mönchen konnten mit ihren Fragen den ganzen Saal bewegen, während der Hauptredner noch im stundenlangen Stau aus Wien stand: Dr. Wolfgang Schüssel, österreichischer Bundeskanzler von 2000-2007 und Absolvent des benediktinischen Schottengymnasiums, spannte einen historischen Bogen über die Geschichte der Benediktiner in Österreich. Die Gründung der Kongregation fand in einer Zeit statt, als die europäischen Länder im Krieg miteinander standen, die Ausläufer der kleinen Eiszeit Missernten verursachte, Hexenprogrome das Rechtssystem erschütterten. Der Kampf um Sicherheit ließ das Faustmotiv entstehen, das den Pakt mit dem Bösen thematisierte. Gleichzeitig rang man um die Stellung der Naturwissenschaft, als sich Galilei auf das heliozentrische Weltbild fixierte.
In Österreich stellte sich seiner Aussage nach die Situation anders dar als in den nördlichen deutschsprachigen Ländern, weil Institutionen wie die Kirche und der Adel Stabilität vermitteln konnten. Schüssel erinnerte an die Mission des Hl. Benedikt, der in einer Zeit des Umbruchs und der Zerstörung 529 die Abtei Montecassino gründete mit der immer aktuellen Frage: Was ist wichtig? Was hat Bedeutung? Er stellte Mäßigung, Stabilität, Bildung, Offenheit, Gebet und Arbeit in den Mittelpunkt des Lebens der Mönche. Dabei stützte er sich auf die Tradition der Mönchsväter, die in den Werken verschiedener Autoren überliefert worden war. Dazu zählt Johannes Cassian, der wie ein Reporter 24 Gespräche mit Wüstenvätern aufgezeichnet hatte. Benedikt stellte aus verschiedenen Regeln des christlichen Mönchtums seine eigene Regel zusammen.
Die Benediktiner waren im Laufe der Geschichte nicht von Krisen verschont: An der Wende vom 18. zum 19.Jh. wurden im deutschsprachigen Raum 103 Abteien und 38 Priorate unter Joseph II. und Napoleon aufgelöst. Die Nationalsozialisten schlossen die meisten Klöster. Trotzdem blieben die Klöster über die Jahrhunderte im Schnittpunkt der zeitgeschichtlichen Entwicklungen. Sie zeigten einen Weg des christlichen Glaubens, der sich “offen, aufgeklärt und liberal” gestaltet.
Mit Blick auf die aktuelle weltanschauliche Situatino in Euorpa merkte Schüssel an, dass viele Zeitgenossen in eine „atheistische Depression“ gefallen seien. Sie müssten alles hier auf der Erde erreichen, weil sie nicht an ein ewiges Leben glaubten. Für Christen ist das Leben auf der Erde eine „Durchgangsstation“, so formulierte er es, „zu einer neuen Wirklichkeit“. Der Christ weiß, dass sein Leben eine “vertikale Dimension” hat. Er ist mit seinem Schöpfer und Erlöser verbunden. Diese Dimension geht über die Erfahrung und den heutigen Erkenntnishorizont hinaus. Auf der Erde haben die Menschen den Schöpfungsauftrag, ihr Leben hier und jetzt möglichst sinnvoll zu gestalten.
An diese ermutigenden Worte knüpfte Abtprimas Jeremias an, als er am Ende der Mittagshore (Mittagsgebets) an die Benediktineräbte erinnerte, die schon 1617 von sich aus eine Kongregation gegründet hatten. Sie wurde 1625 vom Papst anerkannt. Die Äbte wussten, dass sie in Gemeinschaft stärker als allein waren. Der historische Vortrag über die Benediktiner in Österreich zu Beginn des Festaktes hatte diese Perspektive im Blick, insofern die Äbte in der Kongregation gemeinsame Standards für das Chorgebet und die Aubildung der jungen Mönche entwickelt hatten. Abtprimas Jeremias erinnerte an den Wappenspruch des Klosters Montecassino “Succisa virescit” („Obwohl umgehauen, treibt es wieder aus."), demgemäß die Benediktiner mit Gottes Hilfe hoffnungsfroh mit Widerstandskraft wirken: “Neues blüht auf und wächst organisch. … Denn Gott ist bei uns auch in unseren Schwächen."
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