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16.03.2015

"Wir picken uns so oft die Rosinen raus."


„Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“

Christliche Gemeinde!
Liebe Brüder und Schwestern!

Wenn man lange Zeit in der Seelsorge ist, mit Menschen zu tun hat, immer wieder Gespräche führt und hört, wie Menschen mit dem Leben umgehen, dann ist man eigentlich oft erstaunt, wie viele Menschen das Gefühl haben zu wenig geschätzt zu werden, was ihre Arbeit betrifft, was ihr Leben betrifft. Es wird vieles als selbstverständlich angenommen, was man tut. Das Gute fällt ja auch nicht auf. Die Zeitungen sind ja auch meistens nur von Skandalen voll. Dass jemand in Ruhe seine Pflicht macht, seine aufopfernde Pflicht, vielleicht als Krankenschwester, wäre niemals eine Meldung einer Zeitung wert oder sonst irgendwie.

Viele Menschen haben das Gefühl, sie werden zu wenig geschätzt, beachtet, zu wenig geliebt. Eigentlich ist das die Urversuchung, die schon in den ersten Seiten der Hl. Schrift uns vorgestellt wird, wo die Schlange der Eva sagt: „Ist das wirklich so? Warum hat Gott euch das verboten? Wenn er euch lieben würde, dann würde er euch alles geben und nicht diese Ausnahme da vor Augen stellen. Stimmt es, dass er euch liebt?“ Und viele Menschen fühlen sich als ein kleines Rädchen in der Welt, wo sie eh nicht viel zu sagen haben, wo sie vielleicht untergehen.

Und dann hören wir heute ein großartiges Gespräch des Nikodemus, eines reichen Ratsherrn. Es gibt Überlieferungen: Er war einer der drei reichsten Männer von Jerusalem, der in der Regierung gleichsam gesessen ist, und an Jesus Gefallen gefunden hat. Aber er hat Angst natürlich, dass er seinen Reichtum auch verliert. Und so spricht er in der Nacht mit ihm, heimlich in der Nacht reden sie. 

Und in dieser Stille der Nacht, ein Vier-Augen-Gespräch, sagt Jesus die Worte, die zutiefst in das Herz hinein fallen, von jedem, der das hört: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ 

Nicht die Welt hat Gott geliebt, sie tut sie ja heute weitgehend nicht oder wenig, sondern Gott hat die Welt als erstes so geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab.

Gott hat die Welt so geliebt, dass er sie erschaffen hat. Bedenken wir, wie ungeheuer großartig diese Welt eigentlich erschaffen ist. Ich denke mir das oft, wie fein abgestimmt das ganze Leben ist, dass dieses Leben ja nur auf diesem Planeten Erde möglich ist. Allein schon von der Schwerkraft, von der Wärme. Wenige Bruchteile eines Grades genügen, um Leben zu verändern, zu zerstören, unmöglich zu machen. Denken wir an die eigene Körpertemperatur: 36,4° ,5°, ein Grad mehr und wir haben Fieber. Zwei Grad mehr und wir nähern uns vielleicht schon der schweren Krankheit. Wie fein eigentlich alles abgestimmt ist. Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er sie erschaffen hat. 

Und auch wenn der Mensch sie ablehnt und zerstört, weil er sich von Gott abwendet, dann hört die Liebe Gottes nicht auf. Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er sogar dann auch noch seinen Sohn geschickt hat, damit jeder der glaubt, nicht stirbt und zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. 

Das ist der Gedankengang des Johannes, der immer wieder zum Vorschein kommt: Gott hat nicht Liebe. Die haben wir einmal mehr, einmal weniger. Sondern Gott ist die Liebe. Er ist es ja im Wesen, so wie die Sonne strahlt und scheint, ist Gott die Liebe. Gott kann nicht anders. 

Aber, Johannes ist sehr nüchtern. Es kommt auch immer wieder das Andere, um das auch wir uns umschauen sollen. Wann sagt er denn diese Botschaft? Nicht am Marktplatz, nicht im Tempel, sondern Jesus ist genauso fähig, zu denselben Pharisäern und Hohenpriestern und Ratsherren zu sagen: „Ihr Natterngezücht, ihr übertünchte Wand, wer hat euch gelehrt, dem Unheil zu entkommen, so wie ihr lebt.“ 

Er ist genauso fähig vom Gericht zu sprechen, von der Umkehr zu sprechen. So sagt ja auch Johannes: „Wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an diese Liebe Gottes nicht geglaubt hat.“

Ich glaube, dass die Kirche die ganze Botschaft Jesu sagen soll. Wir sind oft so gewohnt, das Schöne uns heraus zu holen. Auch immer wieder bei der Gestaltung der Liturgie, es werden so griffige, schöne, gefällige Stellen herausgeholt, dass Gott die Welt geliebt hat. Ja, das stimmt. Aber es stimmt auch das eine, dass wir Verantwortung haben für diesen Glauben. Jeder, der glaubt, geht nicht zugrunde. Jeder, der glaubt. Jeder einzelne, der glaubt. Gott liebt nicht in Bausch und Bogen allgemein, sondern er ruft jeden beim Namen. Und er erwartet sich, dass jeder beim Namen darauf antwortet. 

Wie spendet denn die Kirche Sakramente? Vielleicht soll das uns einmal zum Nachdenken bringen? Nicht durch Massentaufen, sondern jedes einzelne Kind wird getauft und beim Namen gerufen. Wie bekommen wir denn die Kommunion? Dass wir einen Laib Brot da hinstellen, jeder nimmt ein Stück davon, sondern jeder bekommt in die Hand und in den Mund hinein diese Eucharistie. 

Wie spendet denn die Kirche das Sakrament der Umkehr? Da gab es immer wieder die Versuchung so "Bußgottesdienste" zu machen. Das passt dann schon. Da sitzt man dort und denkt sich: „Das ist ja ganz schön. Ich denk mir: Mit dem lieben Gott mach ich mir das aus.“ Du gehst hin zur Beichte und bekommst persönlich die Lossprechung deiner Sünden. Und du überlegst dir, wie es mit dir persönlich steht. Du überlegst dir, wie es mit deinem Leben steht. Jedes Sakrament wird immer ganz persönlich gespendet, weil Gott jeden Menschen persönlich anruft und weil jeder Mensch sich auch immer wieder die Frage stellen muss: Wie steht es um deinen Glauben?

Ich hab‘ das g’sagt, dass jetzt am 4. Sonntag früher die Skrutinien gewesen sind. Das heißt, man hat sich Rechenschaft über den Glauben abgelegt, wenn man auf dem Weg zur Taufe gewesen ist. Ich glaube, dass uns das immer wieder fehlt. Wir picken uns oft so die Rosinen raus. Es wird eh schon irgendwie alles passen. „Die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Taten waren böse.“ Sagt Johannes zwei Sätze nachdem er diese Liebe Gottes den Menschen gesagt hat. „Wer die Wahrheit tut, der kommt zum Licht.“ Und ich finde, es ist großartig, dass Jesus der Meinung ist, dass der Mensch lernen kann, die Wahrheit zu tun, dass der Mensch nicht verurteilt ist, immer wieder denselben Fehler zu machen, dass der Mensch tatsächlich in diesen Prozess des Glaubens eintreten kann, dass er den richtigen Weg findet. 

Typisches Beispiel: der Nikodemus. Nikodemus ein reicher Mann, gutwillig aber schwach. Er geht zu Jesus in der Nacht aus Furcht vor seinen Glaubensgenossen, aus Furcht vor den anderen Kollegen und Ratsherren. Und Nikodemus folgt Jesus nicht öffentlich nach wie die Apostel. „Sieh, wir haben alles verlassen, sind dir nachgefolgt, was wird uns zuteil?“ Er hat so einen großen Besitz. Da tut er sich schwer, den zu verlassen. Und dennoch ist gerade dieser Nikodemus jener, der Jesus begräbt. Dort, wo die Apostel weg sind und alle geflohen sind, da ist dieser Nikodemus zur Stelle. Und er stellt sein eigenes Grab zur Verfügung. Er bereitet Myrrhe und Weihrauch und was alles dazu gehört in großen Mengen, hundert Pfund heißt es, als letztes Zeugnis seiner Liebe. Ein großartiges Beispiel, wie Menschen dann dennoch zum Glauben eigentlich finden. So diese letzten Tage, Stunden Jesu zeigen eine immer deutlichere Klarheit der Botschaft Jesu. 

Wenn ein Mensch sich von Gott entfernt, da beginnt das Leben zu zerrinnen. Es wird immer diffuser. Es wird immer unklarer und unbestimmter. Wenn ein Mensch zum Glauben kommt und zu Gott kommt, wird das Leben gleichsam immer kompakter wie ein Diamant, der ja auch nur gepresster Kohlenstoff ist. Aber es wird kostbar, durchsichtig. 

Und Jesus, der vor dem Tod steht, in der letzten Stunde, ist bereit zu sagen: „Das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird“ und gibt dieses Brot den anderen. In der letzten Stunde, wo alles vorbei ist, sagt er: „Ich gebe mein Leben für euch.“ Und gerade in dieser Stunde des Todes sagt er dem rechten Schächer: „Heute noch wirst du bei mir im Paradiese sein.“ Wieder ein Beispiel eines Menschen, der ganz zum Schluss, aber dann doch zum Glauben gefunden hat. Und nach seinem Tod dieses Beispiel des Menschen, des Nikodemus, der doch zum Glauben gefunden hat. 

Es ist großartig, wie eigentlich diese Führung Gottes alles übergreift: den Unglauben, die Ferne, den Zweifel, sogar den Tod Jesu. Nikodemus ist hier und begräbt ihn.

Und so möchte uns heute das Evangelium sagen, dass uns einerseits diese Liebe Gottes vor Augen gestellt wird, dass uns andererseits auch vor Augen gestellt wird, dass wir nicht selbstverständlich einfach sagen können: „Es ist alles in Ordnung." Wenn wir unser Leben betrachten, sehen wir oft, dass unsere Taten nicht gut sind oder nicht so gut sind, wie sie eigentlich sein sollten, aber dass wir auf diesen Glaubensweg eintreten können, vor den jeder von uns persönlich gerufen ist. Und dass es auf dem Glaubensweg einmal Höhen gibt, einmal Tiefen gibt, dass es Zweifel gibt, dass es eine innerliche Leere gibt, dass es eine Trockenheit gibt, eine Unfähigkeit zum Gebet, die großen Heiligen haben das alles erlebt, dass es letztendlich aber immer dieses Angebot der Gnade gibt, auch von der Angst des Unglaubens hinweg bis zum letzten, dass wir uns zu Christus bekennen, der uns bis an das Kreuz geliebt hat.

Amen. 

Abschrift der Homilie von P. Bonifaz Tittel OSB 
für die Eucharistie feiernden Gemeinde von Breitenlee - Kindermesse
15. März 2015 – 4. Sonntag der Fastenzeit LJB 
L1: 2 Chr 36, 14-16.19-23
L2: Eph 2, 4-10
Ev: Joh 3, 14-21

Bild: Miniatur aus dem Schottenstift, Codex 169, fol. 9r
Die Handschrift, aus der die Miniatur stammt, wird in die Mitte des 15. Jahrhunderts (um 1450) datiert. 




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