06.04.2015

Heute geht er nach Wien, nach Breitenlee. Dort ist er gegenwärtig. Der Auferstandene.


Christliche Gemeinde!
Liebe Brüder und Schwestern!

Wir stehen heute in der Osternacht im Mittelpunkt des Geheimnisses des Glaubens. Wir bekennen das Geheimnis des Glaubens bei jeder Messe, direkt am Höhepunkt nach der Wandlung. „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir bis du kommst in Herrlichkeit.“ Geheimnis des Glaubens. Was heißt eigentlich „Geheimnis des Glaubens?

Wir haben im Westen einen Ausdruck für Sakrament. Das ist ein eher rechtlicher Ausdruck. Die Römer haben sehr praktisch und rechtlich gedacht. Die Griechen haben tiefer gedacht. Sie sagen für Geheimnis das Wort „Mysterium“. 
Mysterium“ heißt nicht, dass man etwas nicht weiß, etwas Geheimnisvolles, Rätselhaftes. Sondern Mysterium ist im Denken der Alten Welt eine Wirklichkeit, die größer ist als unser begrenzter Verstand, in die man aber hinein wächst und wachsen kann im Laufe des Lebens durch den Glauben. Die Wirklichkeit der Welt ist immer größer als was wir begreifen. Darum entdecken wir ja auch. Darum lernen wir ja auch. Darum werden wir ja auch immer neue Menschen, bezogen auf das, wie wir uns einstellen, unsere Lebenshaltung. Die Welt ist größer, aber wir wachsen hinein in dieses Geheimnis der Wirklichkeit.

Darum hat uns die Kirche in Form einer ganz gedrängten Katechese, einer gedrängten Unterrichtsstunde die Geheimnisse des Glaubens in den Lesungen vor-gestellt. 

Die 1. Lesung ist das Geheimnis, das Mysterium der Schöpfung. Mysterium heißt, dass man staunen lernt, dass man nicht sagt: „Ich weiß schon alles. Mir kann keiner mehr was sagen.“ Es gehört auch das Erschrecken vielleicht dazu, das Offen-Sein für eine neue Wirklichkeit, die uns nicht unmittelbar zugänglich ist. Denken wir an die drei Frauen beim Grab: sie sind entsetzt, als sie Jesus nicht finden. Ein junger Mann sitzt da und sagt: „Er ist auferstanden. Er ist nicht hier. Er geht euch voraus nach Galiläa wie er gesagt hat.“ Das Offen-Sein des Glaubens gehört dazu, dass ich mir das auch sagen lasse, und nicht, dass ich abblocke und sage: „Mir kann keiner mehr was sagen. Ich weiß eh schon alles.“
Und mit dieser offenen Weltsicht des Glaubens treten wir dem Mysterium der Schöpfung gegenüber, dass wir glauben dürfen, dass Gott die Welt gewollt und geliebt hat, dass Gott diese Welt will, dass er sie aus Liebe erschaffen hat. Freilich gibt es vieles, was unverständlich ist, auch am Geheimnis des Bösen, was wir nicht verstehen, auch nicht auflösen können. Auch das gehört zur der Wirklichkeit der Welt dazu.

Das Zweite, die Zweite Lesung war das Mysterium der Hingabe, dieses unver-ständliche Opfer, das von Abraham gefordert wird, dass er Seinen Sohn hingibt. Aber der Glaube erkennt in diesem Opfer des Abraham schon das Kreuzesopfer Jesu Christi: Christus, der sich selbst für diese Menschen hingibt, Isaak, ein Sinnbild des Kommenden, wie vieles dieser alttestamentlichen Lesungen wie Sinnbilder auf das Kommende schon verweist.

Die 3. Lesung war der Durchzug durch das Rote Meer, das Geheimnis, das Mysterium, dass Gott dennoch eingreift und rettet, dass Gott den Menschen retten will.  Auch das ein Hinweis auf Ostern, die Taufe und die Auferstehung.

Und die letzte Lesung, diese wunderbare Lesung von Ezechiel, wo von einem neuen Herzen gesprochen wird, dass Gott den Menschen schenken will. Nicht ein Herz aus Stein, das nicht mitfühlen kann, das hart ist, sondern das Herz aus Fleisch, das mitlieben kann, das Empathie hat, das mitleiden kann mit anderen. Das Geheimnis der neuen Schöpfung.

Und so ist das Osterevangelium eigentlich die Zusammenfassung all dieser Haltungen, die Gott im Laufe der Geschichte immer wieder den Menschen gezeigt hat, dass er eben Jesus nicht im Tod gelassen hat.

Denken wir uns diese Katastrophe des Karfreitags, einmal von der Sicht der Mutter Maria her, wo plötzlich alles falsch läuft. Sie empfängt die Verheißung vom Engel, dass der Sohn der kommende Friedensfürst ist, und dann hängt er plötzlich am Kreuz. Denken wir aus der Sicht der Jünger, die sich dann verstecken. Denken wir an diese qualvollen Stunden des Karsamstags, wo eigentlich keine Hoffnung besteht.

Und dennoch gehen als erstes die Frauen in der Früh des Ostersonntags, diese treuen Frauen, es dürften drei Gruppen gewesen sein, zu je zwei, drei Frauen, gehen zum Grab, um das Werk der Liebe zu vollenden: Christus wenigstens ordnungsgemäß zu bestatten.

Und dann erleben sie eben: Das Grab ist leer. Das beweist aber noch nichts. Die Apostel glauben das nicht. Sie halten das für „Weibergewäsch“. Sie gehen erst hin und dann verstehen sie es immer noch nicht, so  dass Jesus sie rügen muss für ihren Unglauben, dass sie gar nicht bereit sind, zu glauben.

Und dort denken wir an diese Frauen, die da stehen vor dem leeren Grab. Und da sitzt der junge Mann, der Bote von oben und sagt: „Was sucht ihr ihn? Er ist nicht mehr hier. Er geht euch voraus nach Galiläa, in die Heimat, dort wo ihr her kommt, wie er es euch gesagt hat.“

Und seit diesen Worten, wo Jesus uns voraus geht nach Galiläa, geht er jeden in sein eigenes Galiläa voraus, in sein eigenes Leben, in sein eigenes Lebensziel. Er begleitet als Auferstandener die Kirche, wohin sie auch geführt wird. Heute geht er nicht nur nach Galiläa. Heute geht er nach Wien, nach Breitenlee. Dort ist er gegenwärtig. Der Auferstandene.

Amen. 

Abschrift der Osterpredigt von P. Bonifaz Tittel OSB 
für die Eucharistie feiernden Gemeinde von Breitenlee 
4. April 2015 – Fest der Auferstehung Jesu Christi - Osternacht

L1: Gen 1, 1 - 2, 2
L2: Gen 22, 1-18
L3: Ex 14, 15 - 15, 1
L4: Ez 36, 16-17a.18-28
Epistel: Röm 6, 3-11
Ev: Mk 16, 1-7