08.12.2016

Jeder von uns muss ein Leben lang auf seine Berufung antworten


Christliche Gemeinde!
Liebe Brüder und Schwestern!

Das Fest der, wie es genau heißt:  „Ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“, ist für viele Menschen theologisch etwas abgehoben. Warum feiert man das eigentlich: die „Unbefleckte Empfängnis“ wie es kurz genannt wird? Was hat das für eine Bedeutung für uns, wenn es doch ein letztlich einmaliges Erlebnis gewesen ist, das nur Maria betrifft. Warum feiert es dann die ganze Kirche? Auch ist die Wortwahl vielleicht ein bisschen unverständlich. 

Ich glaube, es geht bei dem heutigen Fest in erster Linie und grundsätzlich um dieses große Geheimnis des Zusammenspiels zwischen der Gnade Gottes und dem menschlichen Tun. Die Gnade allein macht es noch nicht aus. Das Tun allein, heißt noch nicht, dass es sinnvoll und fruchtbar wird.

Diese Wahrheit kann man schon im rein menschlichen Bereich erkennen. Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ist zunächst alles Geschenk. Für das Kind: die Empfängnis, die Geburt, das ihm ein Nest bereitet wird, eine Wohnung, dass sich die Eltern um das Kind kümmern, dass sie ihm ein Beispiel geben. Das sind alles Geschenke. Das Kind tut gar nichts dazu. Aber dann muss es langsam lernen, auf eigenen Beinen zu stehen und mitzuarbeiten, im wahrsten Sinn des Wortes, ein reifer selbständiger Mensch zu werden.

Ich glaube, so ähnlich, aber natürlich viel umfassender ist es, wenn wir vom endgültigen ewigen Ziel des Menschen sprechen. Wohin geht der Mensch? Diese alten Fragen: Warum leben wir? Wohin geht der Mensch? Was ist sein Ziel?

Wir haben heute diese großartige 2. Lesung gehört, die, Gott sei Dank, so oft, auch im Stundengebet, vorkommt. Der Anfang des Briefes des Paulus an die Epheser. Viermal kommt vor: „vorherbestimmt“, „erwählt“, „von Anfang an“.
„Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus.“ Sie haben wir hier und jetzt. Wir sind ja in dieser Gemeinschaft mit Christus in der Stunde der Messe verbunden. 

Und jetzt kommt es: „Denn in ihm hat er uns erwählt vor Erschaffung der Welt…“ Das ist ein ungeheurer Gedanke, dass Gott, bevor er diese materielle Welt erschaffen hat, an uns gedacht hat, an jeden Einzelnen. 

Jeder Mensch gleichsam als Lieblingsgedanke Gottes, um dessentwillen er die Welt erschafft. 

Genau das Gegenteil von dem, was uns der Darwinismus einreden möchte - viel zu kurz gegriffen: der Mensch das Produkt von Entwicklungen und von Umweltverhältnissen usw. 

Genau das andere ist es. Weil Gott uns will, schafft er diese Welt.

Dann geht’s wieder weiter: „…damit wir heilig und untadelig leben vor Gott…“ Das heißt jetzt nicht: "besonders hochstehend", was weiß ich. Heilig und untadelig in Gemeinschaft mit ihm, ohne Streit, ohne Zerstörung, ohne Hass. 

„Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Kinder zu werden durch Jesus Christus und zu ihm zu gelangen, nach seinem gnädigen Willen…“ Er will, dass wir zu ihm gelangen. Was spricht da eigentlich für eine Heilsgewissheit heraus? „…zum Lob seiner herrlichen Gnade...“ „Durch ihn sind wir auch als Erben…“ Schon wieder kommt es: „vorherbestimmt...“ Er hat es vorherbestimmt, dass wir seine Kinder und die Erben des Himmelreiches werden sollen. Wir sollen nicht verlorengehen und irgendwie "in die Hölle plumpsen", weil wir gerade den Weg nicht gefunden haben. 

Er hat uns vorherbestimmt, diesen Weg zu finden, und eingesetzt nach dem Plan dessen, der alles so verwirklicht, wie er es auch beschließt. Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt! "Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt, die wir schon früher auf Christus gehofft haben." 

Wie oft kommt dieser Gedanke hier vor: Von Anfang an will ER uns bei sich haben. Von Anfang an will Gott den Menschen bei sich haben. Darum wird Jesus Christus Mensch. Das ist ein ungeheurer Gedanke. 

Und da verstehen wir besser, warum Maria von Anfang an in diese Berufung hineingenommen war, weil durch sie Christus Mensch werden wird. Aber Berufung allein genügt eben nicht, sondern der Mensch muss auf die Berufung antworten und zwar ein Leben lang. Und das hat eben Maria durchgetragen. 

Als junges Mädchen, sie wird vielleicht 12, 13 Jahre alt gewesen sein, sagt sie: „Dein Wille geschehe.“ Das ist nicht selbstverständlich. Die meisten Propheten sagen: „Ich will’s…weiß nichts… lieber doch nicht.“ 

Jesaja sagt: „Ich bin ein Mann mit unreinen Lippen. Ich will das gar nicht.“ Kommt ein Engel und verbrennt ihm die Lippen mit glühenden Kohlen. Ist auch nicht gerade sehr angenehm. Da kommt Jeremia, sagt: „Ich stottere. Ich will nicht gehen.“ Moses will eigentlich nicht gehen. Er hat Angst, dass die Leute ihm nicht glauben. Und Zacharias, der Vater des Johannes, der zweifelt auch. Darauf wird er stumm. 

Also, sehr viele, die berufen sind, zögern. Und heute wird der Ruf oft auch überhört. Das muss ich auch sagen. Ich glaube, Gott spricht ja nicht so laut, dass man antworten muss. Aber heute wird vielleicht der Ruf oft überhört, aber viele Leute zweifeln dann, ob sie dem Ruf wirklich folgen sollen. Maria sagt: „Dein Wille geschehe.“ Und, weil sie das sagt, und Gott will keine Marionetten, Gott will Mitarbeiter haben, weil sie dieses „Ja. Dein Wille geschehe“ sagte, ist dieses „Ja“ das Eingangstor, durch das Gott in die Welt eintreten kann.

Aber, was wird ihr denn verheißen? Wir haben es heute gehört, das Evangelium zielt ja auf die Geburt Jesu: „Dein Sohn wird Sohn des Höchsten genannt werden. Er wird den Thron des Vaters David haben, über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen. Seine Herrschaft wird kein Ende haben. Großartige Weisungen. 

Und was kommt dann? Das Alltagsleben in Nazareth. Und Maria trägt es durch, dass sie Hausfrau ist, dass sie Josef pflegen muss, der schon ein älterer Herr ist, dass sie Jesus erziehen muss, der ihr als Zwölfjähriger in den Tempel davon läuft. Er muss eine sehr selbständige Persönlichkeit gewesen sein. Es wäre interessant, wie Jesus als pubertierender Jugendlicher gewesen ist. Ich hab mir immer die Frage gestellt, ob das so harmlos ausgegangen ist. Aber, auf jeden Fall das ganze Familienleben, wie eben Familienleben ist, hat sie auch durchgelebt, ohne viel darüber zu reden. Diese verborgenen Jahre in Nazareth, 30 Jahre. 

Und dann kommt das Auftreten. Jesus steht im Rampenlicht und erfährt auch Widerspruch. Man sagt: „Du bist ja besessen.“ Ja die eigenen Verwandten Jesu kommen und sagen: „Du bist von einem Dämon besessen.“ Wollen ihn zurückholen. 

Und dann das Unverständnis, das ihm in vielem entgegen gebracht wird, und auch wieder der Jubel der Leute, das alles erlebt Maria. 

Und dann kommt diese große Wende mit dem Kreuz. Wo ist da die „Herrlichkeit des Hauses Jakob“? Wo ist das: „Die Herrschaft wird kein Ende haben?“ „Der Thron des Vaters Davids“ am Kreuz? Wo dann Jesus zu Maria sagt: „Siehe da deinen Sohn“ und deutet auf Johannes. „Sieh da, Johannes, deine Mutter“? 

Was muss das für Maria eigentlich für ein Gefühl gewesen sein? Und dann hält sie den toten Jesus in ihren Armen. Und da ist die Frage: Da muss sie den Glauben ja wirklich durchgetragen haben. Und um genau das geht es eigentlich, dass sie wie der Vater seinen Sohn hergibt, letztlich auch ihren Sohn hergeben musste. Und trotzdem den Glauben bewahrt hat. Da sieht man eigentlich, was diese Treue des Glaubens für eine Kraft, für eine Fruchtbarkeit hat. 

Sie hat geantwortet auf diese Berufung und Erwählung Gottes. Und ich glaube, um nichts anderes geht es auch bei uns. Jeder von uns ist zu einem ganz einzigartigen Leben berufen. Und jeder von uns hat eine Aufgabe, die nur er allein erfüllen kann. Kein einziger von uns ist austauschbar mit seiner Lebensgeschichte, mit seiner Umgebung, seinen sozialen Kontakten usw. 

Ich denke mir das oft, wenn man so Bilder sieht von Menschenmengen, hunderttausend, fünfzigtausend, was weiß ich, die da immer wieder sich versammeln. Jeder einzelne ist eine eigene Persönlichkeit, unverwechselbar. Für andere Menschen ist er eben auch beim Namen zu nennen. Und trotzdem Gott hat für jeden einzelnen eine eigene Aufgabe. Aber der Mensch muss auf diese Berufung auch antworten in der Treue des Glaubens. 

Ich glaube, wenn wir diese Treue des Glaubens bewahren, dann verstehen wir, warum Maria Vorbild und Urbild der Kirche geworden ist. 

Amen.


Abschrift der Homilie von P. Mag. Bonifaz Tittel
für die Eucharistie feiernde Gemeinde in Breitenlee
8. Dezember 2016 – 
Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria LJA
L1: Gen 3, 9-15.20
L2: Eph 1, 3-6.11-12
Ev: Mt 3, 1-12