25.01.2016

"Heute"


Christliche Gemeinde!
Liebe Brüder und Schwestern!

Jesus geht seiner Gewohnheit nach am Sabbat in die Synagoge. Er kann lesen und schreiben wie jeder Jude, der glaubt. Das muss er ja. Es ist ein sehr gebildetes Volk von Anfang an gewesen. Und er darf als Laie auch die Schrift auslegen. Er wird gebeten, diese Stelle, die ihm gefällt, Jes 61, vorzutragen. Die Leute hören mit Interesse zu. Nächsten Sonntag hören wir, wie es weiter geht: Sie sind empört, nicht verwundert, sie sind empört.

Was hat die Leute eigentlich empört? Es ist ein einziges Wort und über dieses Wort möchten wir heute ein bisschen nachdenken. Es ist das Wort: Heute. „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr gehört habt erfüllt.“  Warum ist das so empörend gewesen? 

Im Lukasevangelium gibt es eine ganze Reihe von Vorfällen, Ereignissen, die mit dem Wort „heute“ verbunden sind. Wir kennen das zu Weihnachten: Die Engel erscheinen den Hirten „Heute ist euch der Messias geboren, Christus der Herr. Geht nach Bethlehem. Ihr werdet das Kind in der Krippe finden.“ 

Das zweite „Heute“ ist eben am heutigen Tag. „Heute hat sich das Schriftwort erfüllt.“ Jesus tritt auf als der Gottesknecht, der gekommen ist, den Menschen die Freiheit zu schenken, die Augen zu öffnen, Zerschlagene zu verbinden und aufzurichten. 

Dann ist wieder das „Heute“. Als Jesus einen Gelähmten heilt, sagt er zuerst: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Und die Leute empören sich: „Das kann nicht jeder sagen. Nur Gott allein kann das.“ Und Jesus sagt: „Was ist leichter: ‚Geh dahin‘ oder ‚deine Sünden sind dir vergeben‘. Aber geh dahin. Deine Sünden sind dir vergeben und zum Zeichen dafür kannst du gehen.“ Und die Leute sagen: „Heute haben wir etwas Unerhörtes gesehen. Heute wurden Sünden vergeben.“  

Das vierte „Heute“. Man warnt Jesus, dass ihm Herodes nachstellt. Er soll sich in Sicherheit bringen. Und Jesus fasst sein Wirken zusammen. Er sagt: „Sagt Herodes, dem Fuchs: Ich treibe Dämonen aus und heile Kranke heute und morgen. Und am dritten Tag werde ich mein Werk vollenden.“   Damit meint er Tod und Auferstehung. Fasst alles zusammen: Er heilt, er predigt heute, morgen und dann wird er sterben und auferstehen. 

Weiters geht er nach Jericho. Er sieht dann Zachäus am Baum sitzen. Am Weg zum Kreuz ist er schon, Jesus. Und er sagt nicht: „Ich muss jetzt bei den Pharisäern einkehren oder bei den Frommen“ oder was weiß ich, sondern zu Zachäus, dem Zöllner, den alle meiden, den keiner sehen will, der sich versteckt. Und Jesus sagt: „Zachäus steig eilends herab. Heute muss ich bei dir zu Gast sein.“ „Heute muss ich zu dir kommen.“ Und Zachäus ist überwältigt. Er gibt sein ganzes Vermögen dahin.

Das sechste Heute ist für mich immer wahnsinnig erschütternd und beeindruckend: Jesus hängt am Kreuz. Alle verfluchen ihn. Der eine Verbrecher hat Mitleid. „Uns geschieht recht. Dem geschieht unrecht.“ „Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Sagt der rechte Verbrecher. Und Jesus sagt zu ihm das sechste Heute. „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ „Heute noch, am Abend deines Todes, bist du mit mir im Paradies.“ Ein ungeheures Wort. Es gibt sogar eine Predigt eines Kirchenvaters, Johannes Chrysostomos: „Das gestohlene Paradies“. Da bereiten sich Könige, Propheten, Fromme durch Beten, Fasten, Kasteien auf das Reich Gottes vor. Und wer tritt als erster mit dem Erlöser ins Paradies ein? Ein Verbrecher, der in der letzten Minute die Barmherzigkeit gerade erfahren hat. „Heute bist du bei mir im Paradies.“ 

Das siebente Heute, sieben ist immer die Zahl der Fülle, ist bei den Emmaus-Jüngern. Die Emmaus-Jünger gehen und sagen, als Er sie fragt: „Warum weint ihr?“, „Bist du der Einzige, Jesus, der nicht weiß, was geschehen ist, was jetzt passiert ist in diesen Tagen. Heute ist schon der dritte Tag, wo das alles geschehen ist.“ Und an diesem heutigen dritten Tag geht eben der Auferstandene mit ihnen nach Emmaus und offenbart sich am Schluss bei der Eucharistiefeier. Er bricht ihnen das Brot.  

So ist das Heute Gottes verbunden mit ganz spezifischen Wirkungsformen Jesu. Mit seiner Erniedrigung und der Geburt, dem Armwerden im Stall von Bethlehem, mit dem Gottesknecht, der gekommen ist, um die Zerschlagen zu heilen, mit der Sündenvergebung, mit seinem Wirken, Predigt, Tod und Auferstehung. Das Heute Gottes ist verbunden mit dem Zachäus, mit dem Mahl mit den Sündern. Das Heute Gottes ist verbunden mit dem Schächer der ins Paradies heute eintritt und mit den Emmaus-Jüngern, die heute Christus erkennen. 

Es gibt viele Theorien über Sein und Zeit. Heidegger haben wir alle gelesen. Was ist vor der Erschaffung der Welt? Da gibt’s ja gar keine Zeit. Hawking - beschäftigte sich damit großartig. Welt gibt’s nur und Zeit. Zeit ist eine Form der Veränderung. 

Der Mensch, der glaubt, weiß nicht mehr, aber er tritt ein in eine andere Wirklichkeit. Der Mensch, der glaubt, tritt aus dieser Vergänglichkeit der Zeit ein in dieses Heute Gottes, wo die Grundform das Erbarmen und die Vergebung ist. Er tritt ein in das Heute Gottes. 

Der Mensch, der glaubt geht über diese Welt hinaus. Als einziges Wesen dieser Welt kann der Mensch beten. Die Schöpfung lobt Gott. Die Sterne loben Gott. Die Tiere loben Gott. Die ganze Welt lobt Gott. Aber der Mensch ist der einzige, der zu Gott reden kann. Er ist der Hohepriester der Schöpfung. Und wenn er betet, dann tritt er ein in eine andere Dimension: die Dimension der Ewigkeit. Wenn wir segnen, wenn wir beten, vor dem Essen zum Beispiel, holen wir das Reich Gottes in diese vergängliche Welt. Wer das nicht tut, bleibt in dieser Form der Vergänglichkeit. Aber der Mensch hat die Möglichkeit über die Vergänglichkeit hinaus jetzt schon das ewige Leben erhalten zu haben.

Jesus sagt das sehr eindeutig: „Wer an mich glaubt, hat das ewige Leben.“ Und wenn wir getauft werden, dann treten wir ein in die ewige Familie Gottes, werden Kinder des ewigen Vaters in einem ewigen Leben. Das sollten wir nie vergessen, wozu wir eigentlich berufen sind. 

Das Heute Gottes, geprägt vom Erbarmen Gottes, das ist die Gegenwart, in die wir eintreten dürfen. Bei jedem Breviergebet betet der Beter vorher einen Psalm zur Vorbereitung. Da heißt es: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet nicht euer Herz, damit es euch nicht so geht wie dem Volk in der Wüste, das verworfen wurde.“ Es braucht heute das offene Herz, um diese Stimme Gottes zu hören. Aber der Glaube geschieht nicht irgendwann, das Leben, das echte ewige Leben geschieht nicht irgendwann. Es geschieht heute in dem Moment, wo ich mich Gott öffne.

Amen.

Abschrift der Homilie von P. Bonifaz Tittel OSB
für die Eucharistie feiernde Gemeinde in Breitenlee 
24. Jänner 2016 –  3. Sonntag im Jahreskreis LJC
L1: Neh 8, 2-4a.5-6.8-10
L2: 1 Kor 12, 12-31a
Ev: Lk 1, 1-4; 4, 14-21