Der Kranz der Gerechtigkeit
Auch wenn der Nationalfeiertag kein kirchliches Fest ist, zeigt sich im christlichen Glauben der Wille, die Welt nach dem Willen Gottes gut zu gestalten.
Gedanken aus der Predigt
Als ob man die Verfassung eines Staates lesen würde: Jesus Sirach schreibt im Alten Testament, dass es kein Ansehen der Person vor dem Richter gibt. „Der Herr ist Richter und es gibt vor ihm kein Ansehen der Person.“ (Sir 35,15) Jesus Sirach war ein gebildeter und religiöser Weisheitslehrer. Er lebte im 2. Jh. vor Christus und schrieb auf Hebräisch. Seine Texte wurden ins Griechische übersetzt, die Weltsprache des Römischen Reiches. Die jüdische Weisheitslehre misst sich mit der griechischen Philosophie. Das Volk Israel hatte einen Vorteil: Sie besaßen Schriften über die Offenbarung Gottes. Sie wussten aus der Schöpfung, dass die Menschen nicht als Könige oder Sklaven geboren wurden. Der Mensch ist überall auf der Welt Gottes Abbild, Gottes Geschöpf.
„Wer Gott wohlgefällig dient, wird angenommen und seine Bitte dringt bis in die Wolken.“ (Sir 35,20) Die Würde des Menschen zeigt sich gerade darin, dass Gott ihn hört. Seine Belohnung für ein gottgefälliges Leben ist nicht Ruhm und Reichtum, sondern „der Kranz der Gerechtigkeit“, den Gott verleiht. Römische Kaiser ließen sich mit einem Lorbeerkranz darstellen, der ihnen von Menschen verliehen wurde oder den sie sich selbst auf das Haupt setzten. Der Hl. Paulus verwendet nicht ohne Absicht diesen Ausdruck „Kranz der Gerechtigkeit“. Er weiß, dass Reiche vergehen, Herrscher kommen und gehen, aber der eine Gott ewig ist. Was Er sagt, ist gültig über die Zeiten. Seine leise Stimme hat mehr Inhalt als das Dröhnen von Massenveranstaltungen auf der Straße oder im Internet. Auch wenn sich der Hl. Paulus allein fühlte, weil ihm niemand beigestanden ist, bekennt er zuversichtlich: „Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Völker sie hören.“ (2 Tim 4,17)
Fühlen wir diese Sicherheit? Können wir ihm zustimmen?
Unser Land ist von Menschen geprägt, die aus dem christlichen Glauben gelebt haben. Sie setzen sich für das Allgemeinwohl ein, ohne Dank zu erwarten. Sie freuen sich einfach an einer schönen Umgebung, an einer sauberen Natur, an fröhlichen Menschen.
Diese Woche bin ich mit zwölfjährigen Schülern durch die Innenstadt spaziert. Wir haben Kirchen besichtigt, den Baustil betrachtet, über die Darstellungen der Heiligen nachgedacht. Vor einem Straßenschild in Frakturschrift habe ich sie gefragt, ob sie es lesen können. Sie konnten es: Leopold-Figl-Gasse. Ein Bub erzählte mir begeistert, dass seine Urgroßmutter seine Sekretärin war und den Staatsvertrag 1955 geschrieben hat. Leopold Figl war begeisterter Österreicher und setzte sich für sein Land in seinem christlichen Weltbild ein. Er beteiligte sich an der Gebetsbewegung „Rosenkranz-Sühnekreuzzug“, die der Franziskaner P. Petrus Pavlicek 1947 in Wien auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges gegründet hatte. Zehntausende Menschen beteten regelmäßig für den Frieden in Österreich und die Freiheit des Landes. Die Gebetsmärsche auf dem Ring beeindruckten viele Menschen. Noch heute zählt die Bewegung 700.000 Mitglieder in verschiedenen Ländern. Spüren wir diese Begeisterung für die Heimat? Sehen wir unsere Verantwortung für den Frieden in der Welt?
Dass Christus von den Toten erstanden ist, ist der Grund unserer Zuversicht. Er bewegt uns Menschen, füreinander da zu sein. Er zeigt uns, dass wir füreinander Verantwortung tragen. Er hält für uns den Kranz der Gerechtigkeit bereit, der mehr wert ist als jede menschliche Auszeichnung. Er ist der Sieger über den Tod, der König, der Herr in Ewigkeit. Amen
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