Die Freiheit Gottes, Mensch zu werden
Gedanken aus der Predigt zur Christmette
Heute Nachmittag führten die Kinder hier in der Kirche ein Krippenspiel auf. Sehr lieblich war die Darstellung: die Verkleidung, die Lieder, die Texte. Ist das ein Wunschtraum der Kinder und ihrer Eltern von einer heilen Welt? Das Kerzenlicht kam aus Betlehem. Stille Nacht erklang in der halbverdunkelten Kirche. Ist das eine reale Welt?
Gott ist Mensch geworden in dieser Welt, die so gegensätzlich zu Seiner Vorstellung geworden ist. Kein Naturgesetz, keine genetische Programmierung hat die Welt verändert, sondern der Mensch in seiner Freiheit.
Genauso hat Gott die Freiheit, Mensch zu werden, um den Menschen wieder zum Heil zu führen. Gott nimmt diese Freiheit in Anspruch – der eigentliche König der Welt, der siegreiche Held der künftigen Auferstehung. Jetzt ist er klein in der Krippe, abhängig von Seiner Mutter Maria, Seinen Ziehvater Josef.
Sein Palast ist die Höhle, der Stall in Betlehem. Seine Gäste sind die Hirten, die nach ihren Schafen und Ziegen riechen, nicht nach dem teuren Parfum des menschlichen Luxus. Dieser Palast, die Krippe, steht heute in allen Kirchen und unter vielen Christbäumen in den Häuser der einfachen Familien. Auch in so manchen Spitälern und anderen öffentlichen Einrichtungen.
In einem Rehabilitationszentrum in der Brigittenau, Wien, steht im Eingangsbereich eine schöner Weihnachtsbaum mit Geschenken und einem Stall mit Krippe, geschnitzten Figuren, wie sie im alpenländischen Raum üblich sind. Der Palast Christi ist dort, in den Krankenzimmern, wo Menschen auf ihre Heilung hoffen, in den Familien, wo Menschen den Frieden suchen, in den Kirchen, wo die Gebete in Freud und Leid gesprochen werden, in den Gefängnissen, wo ein neuer Beginn, eine Bekehrung des Herzens gesucht wird.
Der Bischof von Magdeburg Gerhard Feige sagte nachdenklich im Interview: „Es wäre gut, sich auf den Kern, auf den Realismus der Weihnachtsgeschichte zu beziehen. Christus kommt nicht in eine Traumwelt, sondern in eine Welt, wie sie ist.“ In Magdeburg sind 11 Prozent Christen. Der Dom wurde für viele gerade heuer zu einem Ort der Stille und des Trostes.
Wo ist der Palast Christi heute? Wo kommt Er zur Welt?
Der Palast Christi, Sein Tempel, Seine Krippe ist im Inneren jedes Menschen, der sich Ihm zuwendet – so wie die Hirten: Sie riechen nach ihren Herden. Sie kommen von der Arbeit auf dem Feld. Sie staunen und erblicken das Licht von Betlehem. Die Hirten sehen den Stern, der sie zu Gott führt. Jesaja prophezeit voll freudiger Erwartung: „Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf.“ (Jes 9,1) Gott ist für sie Mensch geworden. Er ist für uns alle, heute hier als Mensch sichtbar erschienen, damit auch wir wieder neu beginnen, „besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben“ (Tit 2,12).
Maria „wickelte [ihren Sohn, den Erstgeborenen] in Windeln und legte Ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ (Lk 2, 7) Unser Leben möge Herberge für Jesus Christus sein, der für uns Gott ist. Amen.