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09.06.2016

Kreuz ist nicht das Versagen - es ist das Mitleid Gottes.


Christliche Gemeinde!
Liebe Brüder und Schwestern!

Letzten Sonntag waren wir im Evangelium in Kafarnaum, die Stadt Jesu. Ich habe lange darüber gesprochen, was da alles geschehen ist. Es war im Anschluss an die Bergpredigt eine große Menge Leute, Volk um Ihn, und es kommt der Hauptmann, der römische Zenturio. Die Geschichte kennen wir von der Heilung dieses Knechtes des Zenturio. 

Heute sind wir weit weg. Nain liegt nicht neben Kafarnaum. Nain liegt ungefähr 40, 50 Kilometer von Kafarnaum entfernt. Es ist an der südlichen Grenze von Galiläa. Nazareth liegt noch näher. Es liegt ziemlich genau dazwischen. Also es ist eine lange Strecke, die man dorthin gehen muss von Kafarnaum. Das wäre genauso: Ein Ereignis ereignet sich hier. Das nächste ist in der Nähe von St. Pölten. 

Warum ist das eigentlich interessant? Weil es auch hier heißt heute, obwohl es auch unmittelbar anschließt an das Ereignis von Kafarnaum: „Eine große Menschenmenge folgte ihm.“ Das heißt also, dass Jesus zu dieser Zeit eine große Menschenmenge quer durch Galiläa, durch Israel gefolgt ist. Jesus hat sichtlich Anklang bei den Leuten. Sie erwarten sich viel von ihm. Sie sehen ja auch die Wunder. Wir haben das Lukasevangelium, ich haben mir das extra angeschaut, vorher heißt es schon: „Es kamen alle möglichen Arten von Besessenen, Kranken und sie wurden von ihm geheilt.“ 

Jesus ist bekannt als Exorzist, der Menschen befreien kann, als Wundertäter und als Prediger.

Es gibt ja die Stelle, wo Jesus einmal 72 Jünger aussendet. Das ist eine ganz schöne Zahl. Sie gehen zu zweit, sechsunddreißig Paare. Das heißt: Es müssen einige, doch mindestens hundert Leute ihm beständig nachgefolgt sein. Es waren nicht nur Männer. Wir wissen auch von Frauen, die ihm nachgefolgt sind und sie umsorgt haben. Wir kennen sogar manche Namen von denen. Das heißt es ist eine Volksbewegung. Jesus ist kein einsamer Prediger, es ist eine Volksbewegung, die sich hier breit macht und Richtung Jerusalem zieht.

Und diese Volksbewegung kommt jetzt an eine kleine Stadt, namens Nain. Wie gesagt: Sie liegt in den Bergen, vom Berg Tabor ungefähr 50 Kilometer entfernt, Richtung Süden, Richtung Samaria. Und da begegnen einander zwei Züge. Der Zug, die Bewegung des Predigers Jesus und ein Trauerzug. 

Ein tragischer Fall: der einzige Sohn einer Witwe. Damit steht die Frau völlig allein. Wir wissen es gibt keine Sozialversicherung, keine Krankenvorsoge, nichts in der alten Zeit. Und sie steht jetzt ganz alleine da. Es ist niemand da, der sich um sie kümmert. Tragisch. Und Jesus sieht sie. Er sieht den Zug. Und er hat Mitleid. Sie sagt gar nichts. Sie bittet auch gar nicht. „Weine nicht.“ Und ohne, dass in jemand auffordert, geht er zur Bahre und erweckt diesen jungen Mann von den Toten auf. 

Damit ist es klar: Es begegnen einander der Zug des Lebens und der Zug des Todes. Und im Mittelpunkt ist die Bezeichnung: „Als der Herr die Frau sah“ - Kyrios, die Bezeichnung im Alten griechischen Testament für Gott selber, den Herrn. Wenn wir sagen: „Kyrie eleison“, dann heißt das: „Gott, erbarme dich unser.“ Aber zugleich auch „Christus, unser Gott, erbarme dich unser.“ Der Herr des Lebens zeigt sich.

Es ist für die Juden, die das kannten, natürlich in Erinnerung an den Elija, den wir heute in der 1. Lesung gehört haben. Und Schunem, wo das gewesen ist, die Stelle, wo Elija den toten Sohn der Witwe erweckt hat, liegt ganz in der Nähe. Also es drängt sich die Parallele auf. 

„Er hatte Mitleid…“ Was ist eigentlich das Mitleid Gottes? Es ist ja doch so, dass Menschen oft sagen, gerade bei dieser Situation der Frau: „Warum schweigt denn Gott eigentlich überall zu dem Unheil der Welt? Warum greift denn Gott nicht massiver und sichtbarer ein? Wie kann Gott das eigentlich alles zulassen? Ist doch eine Frage, die immer wieder auftaucht, gerade, wenn Unrecht geschieht. 

Und Mitleid Gottes ist nicht so sehr die Rührung, das Betroffen-Sein, das Gefühl, sondern das Mitleid Gottes hängt zusammen mit seiner Treue, dass er nicht locker lässt, auch wenn man’s nicht sofort merkt und sieht, aber Gott ist treu. Das steckt dahinter. Und dieses Mitleid Gottes, diese Wunder zeigen sich manchmal. 

Wir werden darüber noch zu reden kommen, wie die Menge reagiert. Die Wunder zeigen sich manchmal zur Stärkung des Glaubens, damit Leute bestärkt werden in dieser Haltung des Vertrauens, aber sie sind kein Allheilmittel. Sie sind Zeichen sowie Wegweiser

Wenn ich hineinfahre nach Wien gibt’s gelegentlich Wegweiser. Es steht nicht alle zwei Meter ein Wegweiser, sondern bis zur nächsten Kreuzung wieder ein Wegweiser. 

Und so sind diese Wunder auch Zeichen, wer Gott eigentlich wirklich ist. Und heute sieht man es: Gott hat Mitleid. Er hat Mitleid. Und wir sehen das immer wieder beim Leben Jesu: Es gibt nur drei Totenerweckungen übrigens. Jesus hätte hunderte Tote erwecken können. Es gibt nur drei Totenerweckungen. Das ist eben diese. Dann kommt die Tochter des Jairus, des Synagogenvorstehers. Und die letzte ist die des Lazarus. Und gerade bei der Totenerweckung des Lazarus sehen wir wie Jesus hineilt zum Grab und vor dem Grab weint. Gott weint, eigentlich eine unglaubliche Vorstellung. Gott weint über den Tod seines Freundes. Er weint, und die Leute sagen: „Seht wie er ihn lieb gehabt hat.“ 
So ist Gott, denn Jesus ist ja Gott selber. 

Und so zeigt Gott seine Betroffenheit über den Tod, der letztlich nach dem Denken der Hl. Schrift aus der Sünde hervorkommt, denn darum sagt ja Jesus bei dem Gelähmten: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Und alle sagen: „Na, das kann ja jeder sagen.“ Sagt er: „Aber das Wichtigste ist: Es geht um die Sünde. Die Sünde ist dir vergeben, damit du weißt: Ich hab dir die Sünde vergeben, darum steh auf und geh!“ 

Es hängt das alles zusammen: die Schuld, die Sünde, der Tod. Im biblischen Denken ist das alles eine Einheit. Und Gott ist es nicht gleichgültig. Das Mitleid Gottes ist mehr als nur Betroffenheit, Gefühl, dass er quasi einmal sich entsetzt über das Elend der Welt. Wie Gott wirklich mitleidet, sein Mitleid, zeigt sich im Mit-Leiden. Dann schauen wir auf das Kreuz. Das ist das Mitleid Gottes. Das Kreuz ist nicht das Versagen. Es ist das Mitleid Gottes. So leidet Gott mit dieser Welt mit. Er nimmt das Leid auf sich.

Das würden wir Menschen nie tun. Wir geben Almosen. Wir versuchen jemand zu helfen, zu trösten. Aber wir wären nicht bereit, die Krankheit oder die Schuld eines anderen auf uns zu nehmen. Ich glaube: Das ist nicht unser menschliches Denken. Aber Gott tut es. Er nimmt unser Leid, unsere Schuld, unsere Krankheit auf sich. Das Kreuz ist das Mitleid Gottes. Und darum verstehen wir, dass es nicht das Letzte sein kann, sondern dass die Auferstehung letztlich dieses Mitleid Gottes vollendet. Tod und Auferstehung, das gehört beim Mitleid Gottes dazu. Das ist die Grundhaltung Jesu.

Wenn wir gesagt haben: Das Volk ist dabei. „Eine große Menschenmenge folgt ihm.“ Mich überrascht eigentlich immer wieder, wie viele Wunder die Leute gesehen haben und es eigentlich völlig vergessen haben. Jesus selber sagt es, ich habe es letzten Sonntag gesagt, bei Kafarnaum: „Was glaubst du Kafarnaum: du bist großartig? Was ist bei dir alles schon geschehen an Wunder?“ 

Ich hab’s mir gestern noch angeschaut: die Sünderin liegt bei Tisch, Sündenvergebung. Der Seesturm wird gestillt, als die Jünger im Boot sitzen. Der Besessene von Gerasa, die Tochter des Jairus, die blutflüssige Frau, die Speisung der 5000, der mondsüchtige Junge, die Verklärung, alles das kommt da vor und wird von den Leuten bemerkt und gesehen. In der entscheidenden Stunde ist alles vergessen. Jesus stirbt allein am Kreuz. Wo ist denn die Menschenmenge? die noch am Palmsonntag schreit: „Hosianna! Der König ist gekommen!“ Wo ist denn von denen einer? Niemand. Niemand. Die Menschenmenge fällt. 

Und diese Menschenmenge, die ihn hier begleitet in Galiläa, geht bald weg. Spätestens bei der „eucharistischen Rede“ „großen galiläischen Krise“ bleiben nur mehr zwölf Jünger über. „Wollt auch ihr gehen?“ „Nein. Du hast Worte ewigen Lebens.“ Die Wunder zwingen die Leute überhaupt nicht. Die Wunder sind für die Leute vielfach ein Spektakel. Genauso wie ich mir einen Film anschaue, einen Science-Fiction-Film. Was da alles schon möglich ist, war ja früher nicht möglich. Das ist schon interessant, dass sich so was ereignet. Aber in das Herz zutiefst geht’s nicht hinein. Es ist halt ein Spektakel, aber es ändert nicht das Leben der Leute. Und das ist, glaube ich, eine der grundsätzlichsten Sachen mit Wunder und Glauben.

Warum folgen dann die zwölf Apostel Ihm nach, obwohl auch sie Ihn dann nachher verleugnen und beim Kreuz gar nicht da sind, in der Nacht vor Seinem Tod Ihn verleugnen? Es gibt Begriffe, dass man sagen kann: Sie lernen an Ihm langsam den Glauben. Sie wachsen in den Glauben hinein, den sie erst dann nach Ostern wirklich verstehen und bezeugen, aber letztlich ist es der Glaube der immer in ihnen wächst. 

Und wieso wächst der Glaube? Der Glaube heißt nicht, dass ich etwas für wahr halte. Das ist das große Missverständnis zu glauben: Als Christ bekenne ich das Glaubensbekenntnis, dann bin ich ein Katholik. Das heißt gar nichts. Das heißt überhaupt nichts. Weil ich das Glaubensbekenntnis herunterratschen kann, das heißt gar nichts. Interessant ist etwas anderes, dass im Judentum, auch bei den Griechen noch zwei Begriffe identisch sind. Und das gibt vielleicht einen Zugang, worum es geht beim Glauben. 

Treue und Glaube sind identisch. Das ist derselbe Begriff. Es gibt keinen Glauben ohne Treue. „Pistis“ oder „emunah“ auf Hebräisch. Die Bedeutung heißt: Ich wachse im Glauben in eine Beziehung hinein.

Vielleicht geht’s uns ein bisserl besser auf, wenn wir das Wort „Trauung“ vor Augen haben. Wenn da hier zwei Menschen vor Gott ihren Ehebund beschließen bei der Trauung, dann vertrauen sie sich einander an. Dann genügt es nicht, dass einer das „Ja“ Wort sagt und sich dabei denkt: „Ich glaub’s eh net ernst, aber ich mach’s auf Zeit und dann lass ich mich wieder scheiden, wenn’s net passt.“ Dann sind viele Brüche und Vertrauensbrüche. Sondern „trauen“ heißt einander anvertrauen. 

Und da versteht man auch, warum das Alte Testament und das Neue Testament die Beziehung Gottes zum Volk als einen Ehebund darstellt. Gott ist der Bräutigam. Jesus nennt sich der Bräutigam. „Wenn der Bräutigam von ihnen genommen wird, dann werden sie fasten“, sagt Er zum Beispiel. Das ist der Karfreitag. Das heißt also der Glaube heißt einander anvertrauen, sich Gott völlig anvertrauen, sein Leben in diese Hand hinein geben. Hineinwachsen in eine Beziehung. Es genügt nicht, etwas herunter zu plappern, aber im Grunde genommen nicht mit dem Herzen voll dabei zu sein.

Und noch ein 3. Begriff ist identisch dabei, das ist auch interessant, das ist der Begriff der Wahrheit. Treue, Glaube und Wahrheit sind im jüdischen Denken identisch. Die Wahrheit ist im griechischen Denken: Ich enthülle etwas Verborgenes. Das mag mich jetzt berühren oder nicht. Es ist objektiv Wahres. Ein guter Arzt kann ein schlechter Mensch sein. Er muss mich halt heilen. Aber Wahrheit heißt im biblischen Denken etwas anderes. Wahrheit heißt: Jemand, auf den man sich verlassen kann, der ist wahr. Jemand, mit dem ich durch dick und dünn gehen kann, der ist wahr, der betrügt mich nicht in der Situation der Not. Und so ist die Wahrheit Gottes. Er geht mit uns durch dick und dünn. Und das glaube ich. In diese Beziehung wachse ich hinein. 

Und noch einmal: Das Kreuz ist eigentlich das Siegel, das letzte Siegel dieser Wahrheit, dass Gott durch alles hindurch geht mit uns bis zum Tod und durch den Tod hindurch. Durch den Verrat seiner eigenen Freunde. Er geht durch alles hindurch. 4 Personen haben es verstanden. Das hat mich immer total fasziniert. 3 Frauen und 1 Jüngling. Die Muttergottes, seine Tante, die Maria die Frau des Kleophas, die Maria von Magdala und Johannes der Jünger, den Jesus liebte. Bei all diesen vier Personen ist die Liebe im Spiel. Da sieht man, im Grunde, was das eigentlich mit dem Glauben zu tun hat. Die Jünger kommen dann nach der Auferstehung dazu durch die Kraft des Heiligen Geistes.

Und das macht die Kirche aus. Daher lebt die Kirche durch die Kraft des Heiligen Geistes und nicht nur die persönliche Liebe alleine. Sondern die Liebe des Heiligen Geistes ersetzt das, was wir mit unseren Menschenkräften eben nicht können.

Amen.
    
Abschrift der Homilie von P. Mag. Bonifaz Tittel OSB
für die Eucharistie feiernde Gemeinde in Breitenlee 
5. Juni 2016 – 10. Sonntag im Jahreskreis LJC 
L1: 1 Kön 17, 17-24
L2: Gal 1, 11-19
Ev: Lk 7, 11-17




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