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Vergebung und Freude der Umkehr


Christliche Gemeinde!
Liebe Brüder und Schwestern!

Es ist eine sehr eindrucksvolle Erzählung, die wir heute hören, über die Salbung Jesu von einer öffentlichen Sünderin. Es ist übrigens nicht Maria Magdalena. Sie wird ja eigens genannt am Ende des heutigen Evangeliums, dass sie mit Jesus gezogen ist und wird in dem Bericht nicht namentlich genannt.

Bei Jesus sind uns drei Salbungen überliefert. Zwei Salbungen sind ganz in der Nähe seines Todes. Das eine ist im Markus-Evangelium, als eine Frau kommt, wieder eine Unbekannte, und sie salbt Jesus, und Judas regt sich auf: „Man hätte das Geld doch den Armen geben können.“ Und Jesus sagt: „Sie hat mich für meinen Tod gesalbt.“ Er wird ja eigentlich sehr hastig begraben. Er wird nicht gesalbt, sondern es kommen ja später erst die Frauen zum Grab, am nächsten Tag, am Ostersonntag.

Übrigens, die erste Salbung bei Markus ist im Haus eines aussätzigen Phari-säers, Simon heißt der, also sehr ähnlich der heutigen Salbung.

Die zweite Salbung ist in Bethanien, bei einem Freund Jesu, Lazarus, wo Martha das Essen zubereitet und Maria salbt ihn. Und wieder regt sich einer der Jünger auf: „Das ist doch zu kostbar und teuer.“ Und sie sagt ihm, sie hat ihn ja für den Tod gesalbt.

Die dritte Salbung, haben wir heute gehört, ist eigentlich ganz anders. Da geht es um Sünde, Vergebung, Schuld. Der Tod Jesu tritt eigentlich zurück. Und es ist eine sehr eindrucksvolle Erzählung, die allerdings ein bisserl unlogisch ist, weil es hier heißt: „Wem nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe.“

Heißt das, dass man viel sündigen muss, damit einem viel vergeben wird? Sind die großen Sünder die, die am ehesten die Liebe Gottes erfahren? Ich glaube, das ist eigentlich ein völlig falscher Schluss. Es hat Martin Luther einmal gesagt: „Es ist ein Trugschluss, dass wir auf die Zeche Christi hin sündigen können,…auf die Rechnung Christi, weil ja eh schon alles vergeben ist am Kreuz.“

Denn das verkennt völlig das Wesen der Sünde. Für uns ist Sünde oft ein Ausrutscher. „Naja. Es ist halt passiert. Vielleicht ein Kavaliersdelikt. Und Sünder sind wir ja alle überhaupt. Jeder macht was falsch.“ Aber im Grunde ist die Sünde nach der Hl. Schrift und nach denen, die geistlich erfahren sind, etwas völlig anderes. Zwischen Sünde und Vergebung ist derselbe Unterschied wie zwischen dem Paradies, Adam im Paradies in der Nähe Gottes und Jesus am Kreuz.

Das Kreuz Jesu ist der Preis der Sünde. Wir vergessen das nicht. Und nicht einfach, damit Gott zufriedengestellt wird, das wäre völlig falsch, sondern weil sich gerade in der Stunde Jesu zeigt, wozu eben die Sünde fähig ist: dass sie verrät, dass sie geißelt, dass sie ans Kreuz schlägt, dass sie spottet, dass sie vor dem Gekreuzigten steht, noch hinauf lästert: „Steig herunter vom Kreuz.“ Die Einsamkeit. Das ist das Wesen der Sünde.

Sünde heißt Zerstörung, Misstrauen, Zerstörung der Gemeinschaft. Wenn jemand Gemeinschaft mit einem anderen Menschen zerstört, ist das Sünde. Das heißt: Es geht ans Eingemachte, denn wir sind auf Gemeinschaft angewiesen. Und wenn jemand dann Gemeinschaft mit Gott zerstört, geht es um das ewige Leben, das Heil, dass ein Mensch sich davon entfernt. Und wenn jemand sündigt, zerstört er sich selbst. Er zerstört die Einheit mit sich. Nicht umsonst sagt Jesus: „Euer Ja sei ein Ja und euer Nein sei ein Nein.“ Der Mensch muss geeint sein. Er muss vollkommen sein, aus einem Stück gleichsam sein. Die Sünde zertrümmert den Menschen und macht ihn zum Torso. Er wird auch unzuverlässlich.

Es gibt immer wieder, gerade in unserer Kultur, so den Mythos von der Schönheit der Sünde. Es gab einmal so einen Schlager: „Kann denn Liebe Sünde sein“. Ich glaube es ist ein ziemlich altes Lied. Natürlich kann’s das sein.

Ich glaube gerade der Begriff der Liebe ist sehr schillernd. Wenn Liebe zu Egoismus wird, wo ich auf meine Kosten kommen will, dann ist es Sünde, gar keine Frage, auch unter dem Decknamen und Namen der Liebe.

Und heute ist die Zerstörung der Sünde von einem anderen Blickwinkel. Eine Frau hat erkannt, dass sie gesündigt hat. Und Jesus ist im Lukasevangelium der gute Arzt. Er ist der Arzt, der gekommen ist, nicht damit’s den Gesunden noch besser geht, denn keiner ist gesund, sondern damit die Kranken geheilt werden und die Sünder zu Gott zurück geführt werden: der Gute Hirte, der dem verlorenen Schaf nachgeht. Das ist im Lukasevangelium eben Jesus.

Und Sündenvergebung und Totenerweckung sind praktisch ein und dasselbe.
Wenn der Verlorene Sohn zurückkommt, weil er genug hat vom Schweinestall seines Lebens, vom Sautrog, wo er sein Leben drinn‘ wieder entdeckt hat, dann sagt der Vater, wie er ihn sieht: „Mein Sohn war tot und jetzt lebt er wieder.“ Im Grunde ist das Absterben der Sünde das Gegenteil von dem, von der Freude der. Umkehr, dass ein Mensch zurückkehrt, umkehrt, wieder ins Leben zurückkehrt und sich selber nicht mehr zerstört.

Und beeindruckend ist eigentlich heute diese innere Erschütterung der Frau. Sie weiß, dass sie schwer gefehlt hat und sie spürt, dass ihr vergeben wird. Diese Erschütterung, dass ihr vergeben wird, man kann das manchmal vielleicht erfahren. Ich habe in Medjugorje gelegentlich Beichte gehört, da ist das nachzuvollziehen, wenn Menschen eine Lebensbeichte ablegen, die sich, wir würden sagen, gewaschen hat, die wirklich bis in die Details hineingeht, wo ein Mensch umkehren möchte und wo man dann versteht, was es heißt: „Ich spreche dich los von deinen Sünden“.

Was heißt denn das eigentlich, wenn der Priester sagt: „Ich spreche dich los von deinen Sünden“? Es gibt einen großartigen Psalm-Vers. Da heißt es: „Du wirfst meine Sünden hinter deinen Rücken.“ Er schaut nicht mehr nach, sondern es ist vergeben, vorbei und vergessen. Und eine Sünde, die gebeichtet ist, ist aufgehoben am Kreuz in der Liebe Gottes und ist nicht mehr wirksam.

Und dieser Erschütterung der Frau, die so weit geht, dass sie sich unschicklich benimmt und die Füße Jesu mit ihren Tränen benetzt und mit ihren Haaren wieder abwischt, weil sie gar nicht weiß, was sie tun soll, der steht diese Selbstgerechtigkeit des Pharisäers gegenüber, der eigentlich ja glaubt, dass er alles richtig gemacht hat.

Na und erkennen wir uns oft nicht selbst in diesem Pharisäer? Wenn’s heißt: „Was soll ich eigentlich wirklich beichten? Eigentlich ist ja eh alles in Ordnung. Es läuft ja eh irgendwie. Und, mein Gott, naja, so umbracht‘ hab‘ ich niemand. A bisserl schwindeln müss‘ ma‘ auch.“ Usw. Also das ist so ein völlig anderes Bild als von dem, der zutiefst getroffen ist, weil er weiß: Vor Gott bin ich eigentlich ungerecht und auch in vieler Hinsicht vor meinen Mitmenschen.

So steht heute eigentlich diese Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit des Pharisäers der Erschütterung und der Freude der Umkehr gegenüber.

Amen.
    
Abschrift der Homilie von P. Mag. Bonifaz Tittel OSB
für die Eucharistie feiernde Gemeinde in Breitenlee
12. Juni 2016 – 11. Sonntag im Jahreskreis LJC
L1: 2 Sam 12, 7-10.13
L2: Gal 2, 16.19-21
Ev: Lk 7, 36-8, 3

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